Machen Jeans und Rolli aus Ihnen einen Steve Jobs?
Je mehr Leitplanken der Business Etikette wir abbauen, desto schwieriger wird es mit der eigenen Außendarstellung. Wenn Sie morgens vor Ihrem Schrank stehen, sollten Sie folgende Überlegungen anstellen: Welche Termine habe ich heute? Auf wen treffe ich und wo? Welche Erwartungshaltung sollte ich im Sinne eines erfolgreichen Geschäftes/meiner Karriere bedienen? Was sind meine eigenen Werte und wofür stehe ich? Was sind die Werte des Unternehmens? Idealerweise sind sie deckungsgleich mit Ihren Werten. Es gilt daraus die Schnittmenge zu bilden und die entsprechende Kleidung zu wählen. Es ist gut möglich, dass Sie im Laufe des Tages bis hin zu einer Abendveranstaltung variieren müssen: mit und ohne Krawatte und Jackett, braune Schuhe, schwarze Schuhe, frisches Hemd etc. Analog die Damen mit verschiedenen Oberteilen und Schuhen.
Krawatte – altbacken und lästig?
Die Krawatte – ist das nicht ein überkommenes, lästiges Zubehör? In der Tat haben wir die Krawatte fast abgeschafft. Allerdings ist das wirklich sinnvoll? Es ist Ihr individuelles Accessoire, über das Sie Ihren Stil, Geschmack, Individualität bis hin zur politischen Gesinnung zeigen. Es wurde stets beklagt, dass bestimmte – eher klassische - Berufsgruppen im Einheitslook auftreten: graue, dunkelblaue, oder schwarze Anzüge – nunmehr ohne Krawatte. Wo ist nun der Hingucker, der Leuchtpunkt fürs Auge, der individuelle Akzent, der Ausdruck eigenen Stils und Geschmacks ist? Der Träger einer dezenten, eleganten Krawatte kommuniziert Selbstgewissheit und unterstreicht sein Image.
Es gibt Branchen, da sind Krawatten (noch) unabdingbar: unsere Nachrichtensprecher z.B. tragen sie mit Würde. Die Moderatoren des Morgenmagazins haben sie schon längst abgelegt und sind manches Mal in Freizeitmode und einer merkwürdigen Zusammenstellung von Freizeithose, farbigen Socken, buntem T-Shirt und Sakko anzutreffen. Es drängt sich die Frage auf, was genau mit diesem Look kommuniziert werden möchte.
Es bleibt nur noch die Uhr, die Brille und der Ehering als Schmuckstück für den Herrn. Jedes weitere Accessoire wie Goldketten, Armbänder, diverse Ringe, unübersehbare Ohrring gehören nicht zum klassischen Business-Outfit und sind bestenfalls bei Sängern und Schauspielern Ausdruck von Erfolg und Wohlstand.
Kommunikation – was will ich ausdrücken?
Die Frage, die über allem steht, lautet: Was will ich mit meinem äußeren Erscheinungsbild kommunizieren? Denn wir wissen ja seit Paul Watzlawick: Wir können nicht nicht kommunizieren. Also kommunizieren wir immer und das ist durchaus spannend. Signalisieren Sie also mit einem Rolli und einer Jeans, dass sie lässig, cool, up to date und erfolgreich wie Steve Jobs und Dieter Zetsche sind? Oder signalisieren Sie dem einen oder anderen, dass Ihnen der Termin nicht wichtig, es für Sie unbedeutend ist, was Ihr Gesprächspartner/Kunde von Ihnen hält, da Ihre Individualität und Bequemlichkeit über allem und allen steht? Auch diese Frage gehört zu den morgendlichen Fragen am Kleiderschrank: Was möchte ich signalisieren und kommunizieren? Wir sind wieder bei den Werten angekommen.
Stil ist keine Frage des Wetters
Oftmals wird die Perspektive auf unser Umfeld vergessen. Die Gedanken kreisen um die eigene Befindlichkeit. An heißen Sommertagen ist eine Shorts ohne Frage angenehmer als eine lange Hose, gar als ein Anzug oder Kostüm. Shorts in der Freizeit sind in Ordnung. Sie gehören jedoch keinesfalls in einen Business Alltag. Wie steht es darum, wenn Sie mit Shorts zu einem Seminar gingen? Dies war einer unserer Diskussionspunkte in meinem letzten Life-Seminar zum Thema „Erfolgsfaktor Business Etikette“. Ist es eine Freizeitveranstaltung oder eine Business-Fortbildung? Auch ich stand morgens vor dem Schrank und wägte ab. Ich stehe für die Business Etikette, für Wahrnehmung, Achtsamkeit, Authentizität, für Werte und ich trete an, diese zu vermitteln. Da bleibt nur der Spielraum zwischen Hosenanzug und Kostüm. Ich entschied mich für den Hosenanzug und behielt natürlich das Jackett über die gesamte Seminarzeit an. Und hier sei kurz angemerkt: haben Sie einmal begonnen in Ihrem Sakko zu schwitzen, ziehen Sie es bitte auf keinen Fall mehr aus. Nichts ist schlimmer, als jemanden mit verschwitzten Armringen oder einem feuchten Rücken, möglicherweise noch müffelnd um sich zu haben.
Bei dem Punkt Dresscode wird stets lebhaft diskutiert und so stellte ein Teilnehmer klar, dass wenn es ein heißer Seminartag gewesen wäre, dann wäre er in Shorts erschienen. „Schließlich habe ich für das Seminar bezahlt“ war der Kommentar dazu. Was besagt diese Haltung? Sie zeigt mangelnde Wertschätzung: Mir, als Seminarleiterin und dem Thema gegenüber. Es spiegelt die innere Haltung: „me first“ – meine Annehmlichkeit ist wichtig, ich bin zum Konsumieren gekommen, alles andere interessiert nicht. Es zeigt Desinteresse und Ignoranz. Nun unterstelle ich, dass der Teilnehmer sich dieser Signale und der möglichen Tragweite gar nicht bewusst war, sondern schlicht auf sich und sein Wohlbefinden geschaut hat. Dennoch zeigt sich an diesem Beispiel sehr gut, was eine mangelnde Wahrnehmung und Achtsamkeit kommunizieren und auslösen kann. Wäre ich ein Kunde oder wichtiger Investor gewesen, hätte er möglicherweise seinen Auftrag über sein Auftreten und seine erkennbare innere Haltung verspielt. Daher lohnt es sich, an der eigenen Achtsamkeit und Wahrnehmung zu arbeiten und sich immer wieder zu hinterfragen: „Was möchte ich kommunizieren?“
Sexy sells?
Auch bei den Damen gibt es natürlich Spielregeln. Lange Beine, eine kurvige Figur und ein tiefes Dekolleté können ein schöner Hingucker sein. Wenn Sie alles zeigen, was Sie haben, was signalisieren Sie damit? Führungsstärke, Kompetenz, Seriosität, Verlässlichkeit? Oder ist es eher Koketterie und der Wunsch, Begehren zu wecken? Das kann Frau machen, jedoch seien Sie sich darüber bewusst, was Sie wo einsetzen und ob es langfristig zum Ziel Ihrer Karrierewünsche und Erfolge führt.
Auch bei den Damen sind Schmuckstücke und Accessoires Hingucker. Hier gilt: Weniger ist mehr. Die übliche Formel lautet: Maximal 5 Schmuckstücke sollte man tragen, wobei die Ohrringe einzeln zählen. Lieber ein schönes Stück, was den Blick einfängt, als von oben bis unten zu blinken. Weitere Accessoires sind die Handtasche, die auf die Schuhe abgestimmt sein sollte, Seidentücher, Schals und Gürtel.
Firmenkultur – wer trägt wann was?
Je nach Branche ist die gepflegte Business-Kleidung immer noch en vogue. Sie spiegelt wie eh und je Professionalität im Auftreten nach innen und außen wider und ist ein Zeichen des Respekts vor den Kunden und Geschäftspartnern. Viele Firmen ermöglichen Mitarbeitern in kundenfreien Bereichen das Tragen von Freizeitkleidung. Zu diesem Look gehören keinesfalls Flip-Flops, geschweige denn barfuß über die Flure zu laufen. Auch die Freizeitkleidung sollte niemals Anlass zum Fremdschämen geben, sollte die Konzernleitung, der Inhaber und/oder ein Gast sich doch einmal in Ihren Trakt und Ihr Büro verirren.
Professionelle Kleidung verhilft zu professionellem Denken
Bei all der Abwägung, Ihre Kleidung des Tages zu wählen, kommt ein weiterer interessanter Aspekt hinzu: Slepian und Kollegen, Wissenschaftler der California State University haben herausgefunden, dass formelle (im Vergleich zu wenig formeller, sprich lässiger) Kleidung ein Gefühl von Macht anderen gegenüber auslöst und so abstraktes Denken fördern kann. Das hat gleich zwei Effekte: Haben Sie keinen guten Tag, fühlen sich nicht fit, unkonzentriert, energielos, hilft Ihnen ein formelles Outfit, weil sie ganz bewusst in Ihre professionelle Rolle hineinschlüpfen und damit verbunden leichter Zugang zu Ihrem abstrakten und analytischen Denken bekommen. Zum anderen signalisieren Sie mit Ihrer Erscheinung Kompetenz und Standing, womit Sie Ihre aktuelle Verfassung verbergen können. Geben Sie Ihrem Zustand nach und wählen stattdessen lässige Kleidung, haben jedoch aus o.g. Gründen keine lässige innere Haltung, wird das Ihr Umfeld wahrnehmen und einen Störfaktor feststellen. Dieser unterschwellige Störfaktor kann Ihnen Gespräche und Verhandlungen torpedieren.
Fazit
Wer geschäftlich erfolgreich sein will, sollte gut auf sein Outfit achten, denn es hat nicht nur Einfluss auf unsere Fähigkeit zu abstraktem Denken, sondern ist auch Werkzeug, den eigenen Kompetenzen Ausdruck zu verleihen.
Julia Munder, Marketing Director von Maxwell-Scott International, die eine eigene Studie durchgeführt haben sagt: „Die Studie zeigt, dass das Tragen professioneller Kleidung nicht nur eine oberflächliche Zur-Schau-Stellung der eigenen Position im Unternehmen ist, sondern ein Werkzeug, das jedem dabei helfen kann, seine eigenen Kompetenzen auszudrücken. Die Art des Kleidens gibt uns mehr Selbstvertrauen, wodurch wir uns in Arbeitssituationen mutiger fühlen.“
Machen Jeans und Rolli also aus Ihnen einen Steve Jobs? Sprich drücken diese Kleidungsstücke Kompetenz und Karriere aus? Nein, sie drücken Individualität aus und Nähe zur Beleg-, und je nach Produkt, Kundschaft. Es sind nicht die Insignien der Macht und des Erfolgs.